Darum sind neue Autobahnen nicht mehr zeitgemäß

Mehr Autobahnen bedeuten mehr Entlastung und weniger Stau im Alltagsverkehr. Außerdem führen mehr Autobahnen automatisch zu einer stärkeren Wirtschaft. Alles bekannte und langjährig angewandte Argumente, die aus heutiger Sicht hinterfragt werden sollten. Mittlerweile gibt es kritische Studien zum Thema Autobahnen und auch viele neue Erkenntnisse zu dessen ökologischer Verträglichkeit. Daher stellt sich immer öfters die Frage, inwieweit der Bau neuer Autobahnen zum einen überhaupt nötig und zum anderen ökologisch zu vertreten ist. Als Hauptargumente für den Bau weiterer Autobahnen werden häufig die Reduzierung von Staus, mehr Mobilität und wirtschaftlicher Aufschwung genannt. Doch schauen wir uns dazu die Faktenlage an. Der VCÖ – Mobilität mit Zukunft hat zu diesen Annahmen verschiedene Studien durchführen lassen. Es kam raus, dass Staus nicht reduziert werden und der gewünschte Mehrwert in der Mobilität nicht erreicht wird. In erster Linie führen neue Autobahnen zu einer größeren Attraktivität für den Individualverkehr und damit zu einem größeren Verkehrsaufkommen. Zu diesem Ergebnis kommen jedoch inzwischen die meisten Verkehrsexpert*innen. Ein zunehmender Individualverkehr ist allerdings das Gegenteil von dem was wir brauchen. Wir müssen den Individualverkehr reduzieren, um eine Verminderung von Treibhausgasemissionen und Feinstaub zu erzielen. Zwar werden hier E-Autos eine gute Alternative darstellen, die das Potenzial haben den Individualverkehr zu einem Verkehr der Klimaneutralität zu transformieren. Allerdings sind auch E-Autos mit einem hohen Ressourcenverbrauch verbunden, weshalb auch bei dieser Technologie eine Reduzierung des Individualverkehrs erstrebenswert ist. Außerdem bringen auch mehr Autobahnen für E-Autos ökologische Probleme mit sich. So ist der Bau einer Autobahn mit massiven Eingriffen in unsere Ökosysteme verbunden. Wobei das Wort „verbunden“ hier das falsche Wort ist, da Ökosysteme buchstäblich getrennt und zerrissen werden, was die Flora und Fauna auf intensive Weise schädigt. Wichtige Lebensräume wie Wälder und Moore müssen weichen. Lebensräume, die nicht nur viele Pflanzen und Tiere beherbergen, sondern auch große Mengen Kohlenstoffdioxid, ein Klima-erhitzendes Treibhausgas, speichern. Prominentes Beispiel hier ist die Rodung eines großen Teiles des Dannröder Forsts, ein sehr alter Wald und Wasserschutzgebiet in Hessen, für die neue A49. Jetzt wird die eine oder der andere natürlich anmerken, dass auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden sollten. Denn es ist natürlich allgemein bekannt, dass eine gute Verkehrsinfrastruktur ein harter Standortfaktor für viele Firmen und generell von großer, ökonomischer Relevanz ist. Jedoch ist eine gute Verkehrsinfrastruktur in Deutschland mehr als nur gegeben. Deutschland hat das zwölft längste Straßennetz aller Nationen mit ca. 630.000 km Straßenlänge und dass trotz der verhältnismäßig kleinen Größe Deutschlands in Relation zu Staaten wie Brasilien, China oder den USA. Sowohl in der Stadt, als auch auf dem Land hat man mit dem Auto eine sehr gute Verkehrsanbindung. Es gibt große Disparitäten zwischen Stadt und Land, auch im Bereich der Infrastruktur. Die Autoverkehrsinfrastruktur gehört jedoch nicht dazu. Jetzt kann man natürlich beifügen, dass man noch mehr Wirtschaftswachstum mit noch mehr ohnehin schon vorhandenen Autobahnen oder generell Straßen schaffen kann. Dem ist allerdings nicht so. Hierzu hat auch wieder der VCÖ eine Studie durchführen lassen. In der Studie vom VCÖ heißt es, dass zwischen dem Ausbaugrad der Verkehrsinfrastruktur und der Wirtschaftsleistung in der EU kein Zusammenhang festzustellen sei, da die Verkehrsinfrastruktur in Form von Straßen innerhalb der EU so gut ausgebaut wäre, dass es keinen relevanten, wirtschaftlichen Faktor mehr darstelle.

So lässt sich feststellen, dass es selbst für Menschen, die die Wirtschaft über die Umwelt und damit über unsere existenzielle Grundlage stellen, keine rationalen Argumente für den Bau weiterer Autobahnen haben. Wenn man diese Fakten betrachtet, ist es also nicht nachvollziehbar den Bau neuer Autobahn als „ökonomisch wertvoll“ oder „notwendig“ zu etikettieren. Doch was kann man jetzt stattdessen tun, außer neue Autobahnen zu bauen? Anstatt das Geld in neue „Flächenversiegelungsprojekte“ zu stecken, sollten wir in eine nachhaltige Verkehrswende investieren und das Schienennetz massiv ausbauen. Aber auch, vor allem im ländlichen Raum, sollten mehr Busse fahren, sodass weniger Menschen auf das Auto angewiesen sind. Es liegt viel Arbeit vor uns und es besteht viel Handlungsbedarf in der deutschen und europäischen Verkehrspolitik. Doch neue Autobahnen zu planen und zu bauen, gehört zum Handeln, in Zeiten von Umweltzerstörung, Artensterben und Klimakrise, nicht dazu.

Quellen:

de.statista.com/statistik/daten/studie/1856/umfrage/laenge-der-groessten-strassennetze

nabu.de/news/2021/07/30253.html

bund.net/themen/mobilitaet/infrastruktur

lebenswertes-waldviertel.at/wp-content/uploads/2019/07/VC%C3%96-Factsheet_Autobahnbau-ist-kein-Job-und-Wirtschaftsmotor-mehr.pdf

Autor: Simon Gast

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